Richtige Männer

Autor
viavelo
Datum
29.05.2016

Früher hielten es die richtigen Männer noch aus, einfach dazusitzen, ein Bier nach dem anderen zu trinken und über Stunden stumm und gedankenverloren vor sich hinzustieren. Sie hatten verstanden, worum es im Leben wirklich geht: um die einfachen Dinge. Also trinken, essen und und günstigenfalls noch ein paar Angelegenheiten, die einem dann einfallen, wenn die Kinder im Bett sind. Diese entwicklungsgeschichtlich herausragende Epoche ist vorüber und der dazugehörige Menschenschlag am Aussterben, leider, und alle Selbstoptimierungsliteratur, die sich bemüht, den Mann als solches neu zu erschaffen, führt mehr oder weniger in die Irre. Warum das so ist, kann ich mir nicht erklären. Fest steht: seit auch der Mann flächendeckend sein Smartphone mit sich führt, ist es vorbei mit der Eindeutigkeit und Klarheit seines Handelns. Er versucht sich verzweifelt an der Komplexität des modernen Daseins, aber wir wissen: er kann nur scheitern.

Bei aller uns eigenen Bescheidenheit möchte man als Randonneur an dieser Stelle jedoch gerne den Finger heben und anmerken, dass es sie, allem Anschein zum Trotz, noch gibt, diese Männer, die sich auf die einfachen Dinge im Leben verstehen. Es sind eben die, die sich beispielsweise am 30. April frühmorgens zum Brevetfahren einfinden.

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Natürlich klappt das nicht bei allen – und hier wird bereits die Spreu vom Weizen getrennt. Denn wenn ein Drittel trotz Meldung erst gar nicht zum Termin erscheint, dann müssen wir davon ausgehen, dass sie wieder einmal an der Komplexität des Lebens gescheitert sind: Wunsch und Wirklichkeit wurden verwechselt. Vielleicht haben sie dummerweise dem Chef versprochen, noch bis Samstag die Unterlagen für irgendeine Firmenpräsentation von Rang fertigzustellen. Oder sie haben – als alleinerziehende Väter – das Selbstpflegedefizit ihrer Säuglinge vollkommen unterschätzt, und nun plagt sie das Gewissen beim Gedanken, den süßen Nachwuchs für dreißig Stunden mal alleine zu lassen. Oder aber sie kommen vor lauter Beiträgen in ihren Lieblingsforen und den anderen sozialen Netzwerken nicht dazu, die angekündigten Großtaten auch umzusetzen.

Wem all dies nicht passiert ist, der schwingt sie wie üblich im Kreise der Gleichgesinnten um acht aufs Rad, um das Beste zu tun, zu dem ein Mann fähig ist: nichts denken und Radfahren.

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