Belchen satt - die Verfeinerung

Autor
Tobias Jandt
Datum
16.09.2015

"Die Geschichte jeder bedeutenden galaktischen Zivilisation macht klar und deutlich voneinander getrennte Phasen durch - das bare Überleben, die Wissensgier und die letzte Verfeinerung, allgemein auch als die Wie-, Warum- und Wo - Phasen bekannt.“

Genau die Warum-Frage wurde mir gestellt. Warum fährst du Belchen Satt, bist doch schon dreimal gefahren? Ich konnte keine Antwort finden. Also bin ich erstmal den Schauinsland hochgefahren. Also eine Antwort wird sich doch sicherlich auf den nächsten 12000Hm verteilt auf 600km finden lassen.

Der Streckendesigner Urban hat auch gleich eine „Geheimkontrolle" gemacht. Zufälliger weise war er gerade auf der Abfahrt und hat umgedreht, um dann mit mir noch ein paar Worte über PBP zu wechseln. Wir waren dort die letzten 200km zusammengefahren. Er hat auch dann das erste Kontrollfoto gemacht. 

Belchen satt 2015Ums Überleben ging es dann auch in der Abfahrt. Der Stuttgarter Autofahrer war in der Abfahrt zu langsam, prompt konnte ich erleben wozu eine Leitplanke gut ist. Sie leitet dich. Das war knapp.

Das Wiedener Eck habe ich wohlweislich gemieden. Ich weiß was noch kommt. Ich brauche mir das nicht mehr beweisen. Bin schon im Frühjahr hoch.

Die Verfeinerung fand dann in Todtmoos statt 10min vor Schließung hab ich mir eine Cola für die Nacht geholt. Die Verfeinerung sah auch vor, dass ich oben meine leeren Flaschen auffülle. Nichts wars, aus dem Brunnen kam nichts mehr. In einer vollen Bar in Laufenburg mit lauter Mucke konnte ich freundlicherweise meine Flaschen auffüllen.

Belchen satt 2015Die Schweiz hat sich im Dunkeln toll präsentiert. Es machte Laune, mit der Wilma die Nacht zum Tag werden zu lassen. Als ich so gedacht habe, dass ich keine Lust hätte die Strecke im Regen zu fahren, fing es auch an zu tröpfeln. Der Wettervorhersage kann man auch keinen Glauben schenken. Zum Glück hat sich das auch schnell wieder verzogen. Oben auf dem Chilchzimmersattel angekommen, kam mir gegen Mitternacht ein Schweizer entgegen, der wollte wissen ob noch mehr kommen und was ich mache. „Ich radle ne Runde“ und zeigte ihm die Brevetkarte. „Nicht den Weissenstein.“ Er sagte das mit einem Tonfall, "nimm meine Frau, aber nicht mein Auto“ „Von der flachen Seite“ erwiderte ich.

Belchen satt 2015Im Dunkeln ist der auch nicht so schlimm, den Weissenstein hoch zu fahren. Nachdem ich so schnell vorankam legte ich ein Powernap kurz nach Grenchen ein. Wollte ich doch den Chasseral im Sonnenaufgang erklimmen. Leider wurde mir recht schnell kalt, also weiter. Auf der Abfahrt nach St.Imier fand ich einen tollen Platz zum boofen. Ein Eingang zu einem Bunker, das wollte ich erleben, also zog ich ich meine Schlafpause für die nächste Nacht vor. Toller Nebel über das Tal von St. Imier. Belchen satt 2015Die Doubs Schlucht war auch herrlich zum Anschauen, allerdings war die alte Brücke mehr nach meinem Geschmack. Die Straße hoch war auch nicht einfach zu fahren, viel zu viel Rollsplitt. Im Wiegetritt drehten die Räder gleich durch.

Das war die Schweiz, keinen einzigen Euro/Franken habe ich ausgegeben. Die Verfeinerung ging auf. Dafür musste ich mal das geschmackliche Tschernobyl ausprobieren. Kartoffelpüreepulver in Orangensaft. Ein toller Tip vom Matthias, wie sich herausstellte. Es überkam mich mein übliches Mittagstief, also ab in die Wiese zum kurzen Nickerchen. Auf dem nächsten Kilometer war die Straße nass. Hat es doch glatt geregnet und ich blieb noch trocken. Die Verfeinerung war auf dem Höhepunkt, zumindest bis nach Lure. Vogesen präsentierten sich wie im Frühjahr mal wieder im Regen. Toll von 4mal Belchen Satt fahren, 3mal Regen in den Vogesen. Diesmal gab es kein mentales Tief, im Gegenteil es machte Spaß im leichten Regen zu radeln. Die Temperaturen waren deutlich im zweistelligen Bereich.

Nachdem ich an einer Baustelle einen Abgang über den Lenker machte, ging es schlagartig wieder ums überleben. Die Franzosen halfen mir wieder auf die Beine. Jetzt merkt man klar und deutlich die Priorisierung. Zuerst nach dem Fahrrad schauen. Schalthebel gerade stellen, verklemmte Kette wieder auf die Ritzel und dann die Schürfwunden verarzten. Zum Glück ging das radeln noch. 

Den Ballon ´d Alsace habe ich gerade noch im Hellen fahren können. Oben auf dem Col du Page wollte ich eigentlich ne Runde pennen, da ich wußte das ich noch die ganze Nacht unterwegs sein werde. Nichts wars, die haben das Häuschen umgebaut. 

Also habe ich kurz nach Kruth ein Schlafplätzchen gefunden - eine Bank. Komplett in der Rettungsdecke war ich eingewickelt. Keine Ruhe zum schlafen, wollte tatsächlich jemand noch Geld holen. Belchen satt 2015Ich hörte das Auto nicht wegfahren, kurz drauf sprach mich eine Frauenstimme auf Französisch an. Ich habe zwar kein Wort verstanden, aber es klingte freundlich. Also streckte ich meinen Kopf hervor. Sicherlich hat sich die Frau bei der Wahl der Rocklänge keine Gedanken darüber gemacht, dass jemand wie ich am Boden liege und nach oben schauen muss. Sie wollte mir was zu trinken anbieten, da aber beide Trinkflaschen voll waren, lehnte ich freundlich ab.

Der Grand Ballon war doch ein zähes Stück Arbeit. Die Wildschweine und die 5 Wanderer mit Kopfleuchten sorgten für Abwechslung. Überhaupt habe ich jede Menge Tiere gesehen. Jedes Mal wenn ich was hörte oder sah kam mir der Gedanke, stimmt habe ich noch nicht gesehen.

Nachdem die verschiedenen Nickerchen in der zweiten Nacht nicht mehr halfen, habe ich mich länger am Petit Ballon hingelegt. 1,5 Stunden Schlaf müssten das gewesen sein. Ich hatte auch nichts mehr zu Essen, sodass es nur gut war, sich schlafen zu legen.

Leider konnte ich auch nicht den befreienden Blick genießen, wenn man aus den Vogesen in das Rheintal fährt. Es war leider noch dunkel. Der letzte Bäcker in Frankreich brachte mir Erlösung. Schoko-Croissants und ein Süßes Stückchen. Genau das Richtige, um nach Freiburg zurückzukommen. 

Die Fahrt nach Freiburg habe ich total genossen und mir Gedanken um das Warum gemacht. Das Überleben war es nicht, die Wissensgier auch nicht unbedingt, aber die Verfeinerung, die macht aus der harten Arbeit ein Genuss. Sicherlich gibt es noch eine Steigerung der Verfeinerung.